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  • simonmitterbauer

Schamlos.

Aktualisiert: 21. Juli

Scham-los. Los Scham! Auf die Plätze, fertig, Scham!




Essts nu! Schamts eich net! Esst nu? Schamt eich net?

Da ist sie nun. Die Scham. Dieses Wort. Dieser Begriff. Dieses Gefühl. Dieser Begriff, den ich gefühlt in den letzten 10 Jahren sehr wenig zur Beschreibung dieses Gefühls verwendet habe. Nun verwende ich ihn seit Wochen in einer exponentiell wachsenden Art und Weise.


Warum jetzt?

Weil er plötzlich da war dieser Begriff. Weil ich es jetzt begreifen kann, wie ich meine. Die Scham als „Master-Emotion“ die so vielen anderen Gefühlen vorgelagert und ursächlich ist.

"Scham ist die versteckteste aller Emotionen und wird oft erst ausgedrückt, nachdem sie in eine andere Emotion transformiert wurde (Lewis, 1992)"

steht dazu im unten zitierten Buch.


Warum jetzt?

Weil ich es zugelassen habe. Wieder einmal erfahre ich, erkenne ich und lerne ich, dass wenn wir unserem Feuer und unserer Begeisterung, unserer Leidenschaft folgen, uns das Leben mit in seltsam kumulierter Häufigkeit auftretenden Koinzidenzen nährt, die jeder statistischen Insignifikanz vehementestens ein laut schallendes „Schau hin!“ entgegen halten.


In diesem Buch von Uri Weinblatt hatte ich schon auf den ersten 50 Seiten so viele Aha-Erlebnisse wie schon länger nicht. Mit vielen lebensnahen Dialogen bringt er das Thema Scham ganz nah ins subjektive Erleben. Da steht, dass Scham ein alltäglicher Begleiter ist und uns laufend ereilt. Meist in kleinen Dosierungen, die gut reguliert werden können. Wenn aber die Scham zu groß ist, setzt oft ein Kreislauf ein, der sich aufschaukelt. Denn wir reagieren auf Scham mit Rückzug oder Angriff (z.B. einer Gegenbeschuldigung, um die Scham auf den anderen zu verlagern, damit wir sie nicht fühlen müssen).


"Ein unkooperativer Zustand spiegelt fast immer die Gegenwart von Scham wider" wird in diesem Buch abgeleitet. Mit diesem Wissen fällt es mir nun leichter, einen anderen Blickwinkel einzunehmen, wenn ich diesem Zustand oder Verhalten begegne.


Ein Kind soll endlich sein Zimmer aufräumen und fühlt sich dadurch beschämt, weil es eine Anweisung bekommt. Die Mutter fühlt sich beschämt weil ihr Kind nicht kooperiert. Wir nennen das dann oft respektlos. Mir erklärt sich so auch warum Kinder schneller verweigern oder widerspenstig reagieren, wenn andere dabei sind. Waren wir nicht fast alle so als Kinder? Seinen Teller wegräumen. Machbar wenn es in vertrautem Rahmen passieren soll (die Anweisung in vertrautem Rahmen passiert). Wenn Gäste im Haus sind? Nein. Mach ich nicht. Eine Anweisung vor anderen ist noch beschämender, führt schneller zu Distanz und aus dem Kontakt gehen.


Als ich im Mai diesen Jahres begonnen habe, mich der Ausbildung zur Lebens- und Sozialberatung zu widmen, wusste ich nicht, dass ich zwei Monate später ein Rendezvous mit dem Begriff und dem Konzept der Scham haben würde, ich täglich Uri Weinblatt zitieren würde und das alles auch noch alle meine Wirkungsfelder vereinen würde. Von der Beruflichen Integration über Neue Autorität hin zur Lebens- und Sozialberatung bis hinein ins Privatleben.


Kein Zufall ist es wohl auch, dass ich heute in einem Podcast von Stefanie Stahl Nora Tschirner sagen hörte

„Also ich glaube wirklich […] dass die Scham mehr Menschen tötet als diese Krankheiten […]“.

Ein Podcast aus 2021, den ich wohl jetzt hören sollte.


Die Scham hat für mich auch einen ganz aktuellen Bezug zur Post-Pandemie-Jugend, die in verschiedenen Kontexten als zunehmend und mehr als sonst als "unbeteiligt, gelangweilt, unmotiviert", aus dem Kontakt gehend, erlebt und wahrgenommen wird. Und kaum hatte ich diesen Zusammenhang hergestellt, stieß ich auf das Programm Contactivity, in dem es genau um dieses Thema geht:


"Immer mehr Kinder, Jugendliche und  junge Erwachsene haben Schwierigkeiten, an altersgemäßen Aktivitäten  teilzunehmen und ziehen sich zurück. Sie haben eine geringe Motivation,  bleiben dem Unterricht öfters fern oder gehen gar nicht mehr zur Schule.  Sie meiden gesellschaftliche Zusammenkünfte, lehnen eine  Erwerbstätigkeit ab oder verlassen manchmal tagelang ihr Zimmer nicht  und spielen am Computer. Viele haben das Gefühl, dass es zu schwierig  ist, persönliche Beziehungen zu pflegen, und dass sich die Mühe nicht  lohnt. Und es fällt ihnen schwer, mit Rückschlägen umzugehen, da ihre  Scham meist hoch ist und nicht reguliert. Zusammengefasst: Sie haben den  Kontakt zu sich und anderen verloren.

Contactivity ist ein auf der  Neuen Autorität basierendes Therapieprogramm, das darauf abzielt, den  Herausforderungen in der Arbeit mit vermeidenden jüngeren Menschen  erfolgreicher zu begegnen. In dem 2-tägigen Workshop werden wir die  Grundsätze des Programms und wirksame Interventionen für die Arbeit mit  dem vermeidenden Kind/Jugendlichen, seinen Eltern und zum Beispiel dem  Schulsystem kennen lernen. Dabei werden wir uns auch mit der Frage der  Schamregulation auf mehreren Ebenen und in verschiedenen Kontexten  beschäftigen.  Im Kern geht es darum, den vermeidenden Menschen zu  unterstützen, mit sich, mit anderen Menschen und oft auch mit einem  System (Schule, Arbeit, ...) wieder in eine gute Verbindung zu kommen."

Quelle abgerufen am 21.07.2023


Das Thema Scham hat eigentlich schon früher angeklopft bei mir. Spätestens in diesem April diesen Jahres, auf den Fachtagen der Arbeitsassistenz, organisiert vom dabei. Dr. Stephan Marks referierte dort über die Scham als Wächterin der Menschenwürde und beeindruckte außer mich gewiss noch andere mit diesem Thema.

Conclusio:

Wir sollten uns viel schamloser dem Thema der Scham widmen. Dem was sie ist, dem was sie anrichten kann und dem wie sie uns hilfreich sein kann. Seid mutig! Seid tapfer! Seid füreinander da! Und seid schamlos. Schamlos souverän reguliert in Eurer Scham. Schamlos neugierig auf das Leben!





Fotoquellen, abgerufen am 20.07.2023, in chronologischer Reihenfolge:


http://www.hifi-forum.de/bild/schamen_227139.html

https://www.thalia.at/shop/home/artikeldetails/A1039807635

https://www.amazon.de/-/en/Weinblatt/dp/3525459254?asin=B0C549BQL4&revisionId=95e9cd36&format=2&depth=1

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